Status Quo
Schiffsantriebe.

Schiffsantriebe der Zukunft

Interview mit
Peter Hackmann,
Leiter Unternehmenskommunikation
Meyer Werft, Stand Februar 2024

Wir berichteten zu diesem Thema in unserem Magazin, Ausgabe 6-2018. Jetzt, sechs Jahre später, sprachen wir erneut mit Peter Hackmann, dem Leiter der Unternehmenskommunikation der Meyer Werft in Papenburg. Wir wollten wissen: Was hat sich getan? Wie sehen die Antriebe der Zukunft aus? Was kann man heute in Schiffe, mit einer Lebensdauer von mehr als 30 Jahren, einbauen, um auf eine jetzt noch nicht absehbare Entwicklung vorbereitet zu sein?

Pferde auf Weide am Nord-Ostsee-Kanal im Vordergrund, Durchfahrendes Kreuzfahrtschiff im Hintergrund.
Foto: Meyer Werft

Was ist Stand der Dinge bei Schiffsantrieben?
„Es gibt – immer noch – verschiedene Ansätze, die Potenzial haben und wir sind immer wieder begeistert, in welche Richtungen unsere Forschungs- & Entwicklungs-Abteilung denkt. Auch welche hybride Formen der Energieerzeugung die Kreuzfahrtreedereien anwenden.“

LNG wird gerade in viele Schiffe eingebaut und gilt doch als Übergangstechnik?
„Mit LNG haben wir zwar seit 2018 einen Trend gesetzt und die Schadstoffemissionen sehr deutlich reduziert. Aber fürs Klima tun wir damit noch nicht genug. Das heißt, wenn wir langfristig kein fossiles LNG nutzen wollen, müssen wir zu regenerativem LNG (Green LNG) wechseln. Oder noch besser: Auf einen flüssigen Brennstoff umstellen, der ebenfalls regenerativ ist.“

Kann hier die Zukunft liegen?
„Methanol und auch Ammoniak kommen als massentaugliche Kraftstoffe für die Schifffahrt infrage. Methanol wird grünem CO2, z.B. aus Biomasse und Wasserstoff gewonnen, Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff. Methanol gilt für die nähere Zukunft als der sauberste Schiffskraftstoff, sofern er aus klimaneutraler Produktion stammt, sogenanntes ‚grünes Methanol‘. Auch birgt Methanol im Vergleich zu LNG tendenziell das Potenzial, höhere Energiemengen mitzuführen oder aber die Platzersparnisse zugunsten des Laderaums zu nutzen. Ammoniak ist für Passagierschiffe schwierig aufgrund seiner Toxizität. Der Vorteil von Ammoniak ist, dass bei der Verbrennung kein Kohlendioxid entsteht.“

Man liest oft „methanol-ready“?
„Viele Motoren, die mit schwefelarmem Marinediesel oder LNG fahren, können mit einigen Umrüstungen auch mit kohlenstoffneutralen Kraftstoffen wie grünem Methanol oder  kohlenstofffreien Kraftstoffen wie Ammoniak betrieben werden. Methanol-ready bedeutet, dass die Umrüstung ohne extrem aufwendige Umbaumaßnahmen vonstattengeht.“

Portrait von Peter Hackmann, Leiter der Unternehmenskommunikation Meyer Werft
Foto: Meyer Werft

Peter Hackmann,
Leiter Unternehmenskommunikation Meyer Werft

Akkus?
„Eine Batterie hat ihre Berechtigung, vor allem auf Schiffen, die nur kurze Routen fahren. Da sind heute schon – auch bei Ihnen in Kiel – Fähren im Personennahverkehr elektrisch unterwegs. Und bald soll die „Stena Elektra“ mit einem reinen Batteriebetrieb in Fahrt gehen. Auch bei Kreuzfahrern wie bei der „Silver Nova“ und der „Silver Ray“ setzen wir Batterien ein. Nur nicht als generellen Energiespeicher, sondern zum Lastausgleich und um das ganze System smarter zu machen. Aber in die Nähe von flüssigem Brennstoff wird man damit nie gelangen, was die Energiedichte angeht. Man darf dabei die Dimension und die Leistungsanforderung an Bord der großen Schiffe nicht vergessen. Wir reden von Schiffen mit Tausenden Menschen ab Bord, die im Hochseebetrieb unterwegs sind.“

Wie sieht der nächste Schritt aus? Die Brennstoffzelle?
„Die Brennstoffzelle hat riesiges Potenzial und ist prädestiniert für den Einsatz auf Schiffen. Sie ist leise, braucht keinen Schornstein und lässt sich nahezu überall aufstellen. Deswegen arbeiten wir mit entsprechenden Partnern wie der Firma Freudenberg an Systemen dafür. Das erste Ziel ist aktuell, die sogenannte Hotel-Last durch Brennstoffzellen zu ersetzen. Es  laufen die ersten Versuchsstadien mit Reedereien, denn der Druck ist riesig. Und es braucht Pioniere, die Ideen zu einer sicheren und zuverlässigen Anwendung an Bord entwickeln. Nur: Die Brennstoffzelle mit derartig hohen Leistungsdaten im MW-Bereich ist in der Forschung noch nicht so weit entwickelt, um sie in einem sicheren Regelbetrieb einsetzen zu können. Aber wir und unsere Partner arbeiten mit Hochdruck daran.“

Ein Schiff wird aus mehreren Teilen zusammengesetzt
Foto: Meyer Werft
Konstruktionsplan Schiffbau der Meyer Werft
Foto: Meyer Werft
Bug eines Schiffsneubaus der Meyer Werft mit Wasser im Vordergrund
Foto: Meyer Werft

Was befindet sich gerade im Bau?
„Aktuell befindet sich bei uns in Papenburg die ‚Silver Ray‘ im Bau, die LNG, Batterien und später Brennstoffzellen kombiniert. Diese hybriden Systeme bieten den derzeit  klimafreundlichsten Antrieb. Dazu kommen an Bord sehr viele Systeme zum Einsatz, um besonders energieeffizient zu sein. Die klimafreundlichste Energie ist die, die erst gar nicht erzeugt werden muss. Einsparung und Effizienz spart Kosten und sorgt so für Umweltschutz.“

Was, meinen Sie, wird sich durchsetzen?
„Wir denken, dass man den Brennstoff in Masse herstellen wird, der in Bezug auf Energieaufwand, -dichte und Produktionskosten am günstigsten ist. Da scheinen Methanol und Ammoniak die besten Optionen zu sein.“

Was geschieht mit der fahrenden Flotte von Schiffen? Mit den Schiffen, die sich bereits in Fahrt befinden? Die noch mehr Zeit vor, als hinter sich haben, aber noch nicht über notwendige Techniken oder überholte Antriebssysteme verfügen und Landstromanschlüsse nachrüsten müssen? Oder was ist gar mit den Pionieren, die einem experimentellen Antrieb testen und vom Fortschritt überholt werden? Kann man neue Technologien nachrüsten?
„Diese Fragen werden uns auch gestellt und immer häufiger erhalten wir Anfragen zur Umrüstung. Eine vorzeitige Verschrottung, wäre nicht nachhaltig, das fanden wir auch. Und so gründeten wir MEYER RE. Ziel ist es, die Schiffe einem Refit zu unterziehen, sie umweltfreundlicher zu machen, z.B. Landanschlüsse nachzurüsten und so ihre Lebensdauer zu verlängern. Sie so an die Marktanforderungen sowie Vorschriften anzupassen und sogar darüber hinaus zu gehen, um Schiffsemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 Netto-Null zu erreichen.“

ES BRAUCHT PIONIERE, DIE IDEEN ZU
EINER SICHEREN UND ZUVERLÄSSIGEN
ANWENDUNG AN BORD ENTWICKELN.


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